Und nun Deutschland. Schluss. Aus. Vorbei. Spätestens als ich im Dunkeln des frühen Abends das Ortschild meiner oberschwäbischen Heimatstadt erblicke, endet meine abenteuerliche Reise. Von Wien an den Bodensee – 600 Kilometer mit einer jungen Kroatin, einer österreichischen Rentnerin, einem Tiroler Skiliftbetreiber, einem estnischem LKW-Fahrer, einem Münchner Ingenieur und einem Koch aus Oberschwaben – ist der letzte Tag einer Reise, die mich in den vergangenen knapp drei Jahren durch einen grossen Teil Asiens geführt hat. 1040 Tage. Mehr als 25000 Kilometer per Anhalter und etliche mehr in Bussen, Zügen, Booten und was es eben sonst noch so gibt. Freudig und aufgeregt und doch irgendwie mit einem mulmigen Gefühl steige ich aus dem Auto des netten Kochs, der mich mehr oder weniger bis vor die Haustüre meiner Eltern gefahren hat. Und nun – hallo Familie.
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Das Schloss Schönbrunn wird ignoriert, um die Oper einen grossen Bogen gemacht und der Stephansdom nur höchstens eines kurzen Blickes gewürdigt. Und falls das noch nicht klar sein sollte: Sissi braucht natürlich kein Mensch. Nun gut, das gleiche dürfte vermutlich auch für Zombie-Trash-Filme gelten – mit der grossen Ausnahme von „Shawn of the Dead“ versteht sich. Ob ein Wochenende in einer abgelegenen Hütte nun wirklich eine gute Idee ist, wenn im nahegelegenen See sich eine Gruppe zombieartiger Bieber tümmelt, dürfte nach „Zombeavers“ nun endgültig geklärt sein. Und nein, der Film ist nicht so grossartig, wie er sich jetzt anhört. Verrauchte Eckkneipen, stickige Kellerclubs, Livemusik von Bands die keiner kennt, eine WG-Party, Gespräche über Metal, Fussball und allem zwischendrin und eben Zombie-Trash – MEIN Wien war dann vermutlich etwas anders. Ein Hoch auf alle Couchsurfer dieser Welt – danke, Wien!
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Warum bitteschön war ich noch nie zuvor in Budapest? Ach ne, das hatten wir ja schon. Also lasse ich das mal lieber wieder sein. Gerade einmal 900 Kilometer auf makellosen westeuropäischen Autobahnen sind es von meiner oberschwäbischen Heimat bis in die ungarische Hauptstadt. Also eigentlich nichts. Doch während man auf Reisen sechzehnstündige Busfahrten eingequetscht zwischen indischen Grossfamilien über Himalayas Schotterpisten als vollkommen normal akzeptiert, scheinen im Alltagstrott alle Ziele außerhalb des heimischen Stadtgebiets als unerreichbar weit entfernt. Irgendwo hier zwischen Habsburger Prunkbauten und gepflegt-wildem Nachtleben, relaxten Stunden in einem der unzähligen Thermalbäder und verregneten Nachmittagsspaziergängen entlang des Donauufers, wird mir langsam klar, dass DIESE Reise nun bald aber sicher zu Ende gehen wird. Doch wenn ich mir eines vorgenommen habe für die Zeit in der mich mein „normales“ Leben wiederhaben wird, dann das dass ich Europa endlich als das ansehe, was es tatsächlich ist: ein hübscher Vorgarten, den man sich auch problemlos mal zwischen 40 Stunden Woche und Alltag anschauen könnte. Nur bitte erinnert mich daran in ein paar Monaten. Danke.
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Belgrad ist keine klassische Schönheit. Und wenn man zur Abwechslung wirklich mal ehrlich sein möchte könnte man die Stadt sogar als etwas hässlich bezeichnen. An den meisten Gebäuden bröckelt der Putz, bunte Graffitis „verzieren“ die grauen Hausfassaden und abseits der hippen Cafés der „Kneza Mihaila“ – der über-schicken Einkaufsstraße im Zentrum Belgrads – lehnen leere Weinflaschen an Abfalleimern als letzte Zeugen einer nicht nur vermutlich wilden Partynacht in einer der nahegelegenen Kellerbars und alternativen Clubs. Nur damit das klar ist: Belgrad ist genau meine Stadt. Und wer wollte nicht schon immer mal mit trinkfreudigen Serben nachts um halb zwei bei Bier und Rakija über das Leben, das Universum und den ganzen Rest philosophieren? Eben. Also warum bitteschön war ich noch nie zuvor hier…? Ok, ok, natürlich kenne ich die Antwort. Und sie hat etwas damit zu tun, dass Osteuropa als Reiseziel für mich bisher nie wirklich in Frage kam. Und vermutlich auch in absehbarer Zukunft nicht kommen wird. Dafür gibt es eigentlich keinen konkreten Grund – abgesehen von der Tatsache, dass es zu nah dran ist vermutlich. Warum in den Balkan, wenn man auch nach Papua-Neuguinea könnte? So, oder so ähnlich eben. Es tut mir leid.
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Das historische Städtchen Plovdiv, die Hauptstadt Sofia und das wars dann auch schon mit Bulgarien und mir. Nach gerade einmal einer Woche verlasse ich das Land bereits wieder – und irgendwie weiss ich jetzt nicht so recht, ob ich mich dafür nun rechtfertigen muss oder nicht. Ich bin eben nur noch auf dem Heimweg. Und so lange mich auch weiterhin nette Menschen in ihren Autos mitnehmen, dürfte das eben auch kein Problem sein. Die Heimreise meine ich. Trotzdem: graue Novembertage machen sozialistische Gebäude und gesichtslose Zweckbauten eben nicht wirklich attraktiver. Nein, Sofia ist gewiss keine Schönheit. Und Plovdiv lag eben auch nur irgendwie auf dem Weg – römische Geschichte und nette Couchsurfer hin oder her. Aber zwei Städte machen noch lange kein ganzes Land – vermutlich. Bulgarien, ich komme wieder. Versprochen. Und dann im Sommer. Nur das Jahr kann ich eben noch nicht so ganz genau sagen.
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Die türkische Stadt Edirne kurz vor der bulgarischen Grenze – und plötzlich macht sich ein Gefühl der Ungeduld breit. Und Vorfreude – auf das Wiedersehen mit Familie und Freunden. Auf das erste kühle Bier in der heimischen Stammkneipe und gepflegt-sinnentleerte Gespräche über Bands die keiner kennt. Auf verschwitzt-glorreiche Konzerte im Club meines Vertrauens. Auf Cornflakes(!) zum Frühstück, auf trinkbares Leitungswasser, auf Supermärkte, wo man weiß, was es zu kaufen gibt, ein eigenes Bett und vor allem Türrahmen an denen ich mir mit meinen 1,93 Meter nicht ständig den Kopf anstoße. So nahe wie hier in Edirne war ich der oberschwäbischen Heimat seit knapp drei Jahren nicht mehr – nicht einmal 2000 Kilometer sind es noch. Also eigentlich fast gar nichts. Der Lastwagen, der mich von Istanbul bis nach Edirne mitnahm fuhr noch weiter bis nach Ungarn. Und vielleicht hätte ich einfach sitzen bleiben sollen…
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„You Probably Couldn’t See For The Lights But You Were Staring Right At Me“. Oder das ist zumindest meine Version der Geschichte. Schwierig zu sagen das ganze – am verkaterten Morgen danach verschwimmen die Erinnerungen bekanntlich in einem Nebel aus Bierdunst, ausschließlich umwerfend hübschen Frauen und kaltem Zigarettenrauch. Wochenende in Ankara – und es muss trotzdem einiges schief gelaufen sein, um mich nachts um drei auf der Tanzfläche eines Elektroclubs wiederzufinden. Ein partywütiger Couchsurfinggastgeber hilft natürlich. Und die allgemeine Tendenz beim Reisen nicht nur hin und wieder einfach mal „ja“ zu sagen. Und DAS ist vermutlich erst einmal eine gute Sache – allgemeiner Indierockverrat und ungelenken Tanzbewegungen zum trotz. Die nächste Chance zur Wiedergutmachung kommt bestimmt – WIZO Anfang Dezember in Wien zum Beispiel. Wenn es denn noch Karten gibt…
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Erzurum im Oktober und nicht nur vermutlich höchste Zeit über das Wetter zu reden. Das machen doch alle – warum also nicht auch ich? Immerhin liegt auf den Bergen Ostanantoliens bereits der erste Schnee! Und an meinem vorletzten Tag im Iran durfte ich bereits im Schneematsch am Strassenrand stehen und auf meinen nächsten persönlichen Retter warten – mit Wintermütze auf dem Kopf, hochgezogener Regenjacke, Hände tief in den Hosentaschen vergraben und mit den vermutlich den Unterschied ausmachenden zwei Paar Socken an den Füssen. Nein, Minus 30 Grad wie in Erzurum im Winter möglich waren das zwar noch nicht, aber die Zeiten, an denen ich in Flip-Flops mir die Welt angesehen habe, dürften vermutlich nun vorbei sein. Ich weiss, generell kann das Wetter ja nie perfekt genug sein, aber ein wenig Wärme – sagen wir mal 20 Grad und mehr – kann doch nicht zu viel verlangt sein. Oder?
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Ob in Sanandaj oder anderen Städten – wie immer gilt: Bus zum Stadtrand nehmen, sich an die Straße stellen, Arm raushalten und nun ja, auf ein Wunder hoffen. Aber da dies der Iran ist lässt das normalerweise auch nicht lange auf sich warten. Schließlich ist der Iran vermutlich eines der Anhalterfreundlichsten Länder der Welt – und das obwohl hier niemandem so wirklich klar zu sein scheint, was ich hier eigentlich am Straßenrand so mache. Also zumindest am Anfang. Doch das hält die meisten dann nicht davon ab, mich ein Stück weit mitzunehmen. Ob das nun zum Jahrtausende alten Zoroastrismus-Tempel Takht-e Soleyman ist oder nach Kaleybar und der hoch über dem Tal thronenden Babak-Festung – Trampen im Iran: ein Highlight!
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Wäre ich als Autor eines Reiseführers unterwegs, dann hätte ich vermutlich folgendes in mein Notizbuch gekritzelt: „Howraman!!!“ Nein, kein Fehler, die drei Ausrufezeichen sind natürlich genau so gewollt. Ich war ein paar Tage per Anhalter in der kurdischen Region Howraman unterwegs – und Tage später bin ich immer noch überwältigt von der Gastfreundschaft, die ich hier erfahren durfte. Und wenn ich nun nicht aufpassen würde, dann könnte das ganze nun in einem groß angelegtem Plädoyer für das Reisen enden – und gegen das Stubenhocken. Und natürlich für die Neugier – und gegen den allgemeinen Stumpfsinn. Und wenn wir schon dabei sind, vielleicht sogar für das Sammeln von Erfahrungen und gegen das Anhäufen von Dingen. Also Schallplatten einmal ausgenommen – versteht sich. Denn so weit muss die Konsumkritik dann auch nicht gehen. Nur eins ist sicher: Howraman – meine Lieblingsregion in meinem (vielleicht) Lieblingsreiseland.
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